Warum Vertrauenswürdigkeit der Grundstein für die Digitalisierung ist - Prof. Dr. Norbert Pohlmann
Warum Vertrauenswürdigkeit der Grundstein für die Digitalisierung ist | |
![]() | U. Coester, Norbert Pohlmann (Institut für Internet-Sicherheit): In der sprunghaft fortschreitenden Digitalisierung – und einer Welt, die infolgedessen geprägt wird durch Komplexität, Unsicherheit, Geschwindigkeit und Uneindeutigkeit – erscheint es plausibel, dass die Handlungsfähigkeit von Anwendern aufgrund der hohen Entwicklungsgeschwindigkeit potenziell eingeschränkt wird. Denn es ist für den Einzelnen zunehmend weniger möglich, auf vertraute Standards und vorhandene Erfahrungswerte im Umgang mit der Technologie zurückgreifen zu können. Allgemein könnte sich das dadurch evozierte Misstrauen kontraproduktiv im Sinne notwendiger Digitalisierungsprozesse auswirken, da Menschen nur in der Lage sind IT-Technologien – und hier aktuell primär KI-Lösungen – zu nutzen, wenn sie diesen vertrauen. Als Schlussfolgerung erscheint somit die Frage evident, was KI-Anbieter tun müssen, um Anwenderunternehmen ihre Vertrauenswürdigkeit zu dokumentieren und sie so bei deren Entscheidung bezüglich des Einsatzes von KI durchgängig zu unterstützen. Erste Erkenntnisse diesbezüglich liefert die Anwender-Studie „TrustKI“. Mit vermehrter Verfügbarkeit innovativer Technologien im Bereich Künstlicher Intelligenz (KI) steigt – im Sinne einer allgemein angestrebten Wertschöpfung – die Forderung nach der Vertrauenswürdigkeit der Anbieter sowie entsprechend deren Lösungen. Warum? Innovative Technologien und somit die gesamte Internet-/IT-Infrastruktur sind nicht nur zunehmend vielschichtig, sondern auch vermehrt opak geworden. Daraus resultiert folgendes Dilemma: gegenläufig zu dem notwendigen – und auch entsprechend seitens der KI-Anbieter wirksam propagierten – Einsatz neuer Technologien sinkt das Wissen über deren Hintergründe sowie Zusammenhänge. Diese Divergenz führt dazu, dass Anwenderunternehmen alternativ der Einführung neuer Technologie sowie entsprechender Dienste ablehnend gegenüberstehen oder dieser blind vertrauen. Beides ist im Sinne einer gewinnbringenden Digitalisierung kontraproduktiv. Letzteres verhindert zwar nicht die Nutzung allgemein aber eine sinnvolle Inanspruchnahme neuer Anwendungen oder innovativer Dienste, da Entscheidungen bezüglich des Einsatzes eher volatil sein werden – also weniger aufgrund von Kompetenz bezüglich der Problemlösung zustande kommen oder auf dem erforderlichen Fachwissen im Hinblick auf die Technologie basieren. Dies macht deutlich, dass für eine nutzbringende Digitalisierung eine Interaktion auf Augenhöhe – vorrangig gründend auf Transparenz – zwischen KI-Anbietern und Anwenderunternehmen erforderlich ist. Allein daraus ließe sich logisch die Notwendigkeit ableiten, dass KI-Anbieter vertrauenswürdig agieren müssen, da nachweislich eine Interdependenz zwischen Vertrauenswürdigkeit und Vertrauen besteht. Ebenso lässt sich deduzieren, dass Vertrauen in den KI-Anbieter und dessen Motivation [1] im Entscheidungsprozess der Anwender bezüglich des Einsatzes neuer Technologien unerlässlich ist. Dies kann gemäß dem Soziologen Niklas Luhmann insofern begründet werden, dass Vertrauen ein Mechanismus der Komplexitätsreduktion ist [2], also etwas, wodurch sich das Leben auf allen Ebenen leichter gestalten lässt. Die entsprechende Schlussfolgerung, dass im Rahmen der Entscheidungsfindung die Komplexität der Technologie in den Hintergrund tritt, mag auf den ersten Blick trivial erscheinen. Von daher wird die induzierte Konklusion im Folgenden unter diesem Aspekt näher beleuchtet. Vertrauensaufbau: Die Perspektive des Anwenders Luhmann [3] zufolge ermöglicht Vertrauen einen optimistischen Blick in die Zukunft, obwohl Menschen im Grunde weder über ausreichende Informationen noch über eine dafür notwendige Kontrolle verfügen, die diesen Optimismus rechtfertigen würden. Vertrauen lässt sich von daher als eine adaptive Strategie bezeichnen, die Menschen hilft in einer durch Unsicherheit gekennzeichneten Welt handlungsfähig zu bleiben. Generell ist jedem Menschen eine gewisse Vertrauensfähigkeit zu eigen. Obwohl die grundsätzliche Annahme wie Vertrauen entsteht identisch ist, gibt es verschiedene Konzepte bezüglich der notwendigen Gegebenheiten für den Aufbau – die Unterscheidung bezieht sich unter anderem auf den zu betrachtenden Fokus in der Definition. Im Kontext der Digitalisierung erscheint folgendes als dienlich: „Vertrauen als Vernunft“ [4]. Hierbei hängt es einerseits von Nutzen, Interessen und Präferenzen einer Person ab ob vertraut wird oder nicht, sowie andererseits von ihrer Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten und vertrauenswürdige Interaktionspartner anhand von bestimmten Kriterien zu erkennen. Zu diesen Kriterien zählen nach einem weit verbreiteten Modell [5] unter anderem Kompetenz, Wohlwollen und Integrität des Vertrauensnehmers, zum Beispiel des KI-Anbieters. Dieses rationale Vertrauen ist demnach eine Zuschreibung von Gründen für Vertrauenswürdigkeit, die von einer Person beispielsweise für seine Einschätzung eines Unternehmens vorgenommen wird [6]. Eine entsprechende Ableitung im Kontext der Digitalisierung könnte somit lauten: Der Anwender als Vertrauensgeber muss von einem KI Anbieter verlässliche Signale empfangen, anhand derer er die Vertrauenswürdigkeit bezüglich dessen Kompetenz (Können und Wissen), Wohlwollen sowie Integrität (Intention) einschätzen kann. … kostenlos downloaden
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